Wien (OTS) - Trotz des von US-Präsident Donald Trump entfesselten
Handelskrieges
dürfte das Wachstum in den meisten Volkswirtschaften in Mittel-, Ost-
und Südosteuropa 2025 im Gegensatz zur Eurozone robust bleiben – auch
in den EU-Mitgliedern. Das zeigt die neue Frühjahrsprognose des
Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) für
23 Länder der Region. „ Die direkten Handelsströme zwischen diesen
Ländern und den USA sind ohnehin gering und auch die
Kollateralschäden durch die enge Verflechtung mit der stark
exportabhängigen deutschen Industrie dürften überschaubar bleiben “,
sagt Richard Grieveson, stellvertretender Direktor des wiiw und
Hauptautor der Frühjahrsprognose. „ Wie in früheren Fällen, in denen
die Region von negativen externen Schocks betroffen war, werden jene
Länder mit größeren Binnenmärkten – allen voran Polen – die negativen
Auswirkungen besser auffangen können und sich wahrscheinlich erneut
als widerstandsfähig erweisen. “
Für 2025 prognostiziert das wiiw den EU-Mitgliedern der Region
ein Wachstum von durchschnittlich 2,5%, eine Revision nach unten um
0,3 Prozentpunkte gegenüber der Winterprognose. 2026 sollte es mit
2,8% sogar etwas anziehen, eine leichte Berichtigung nach oben um 0,1
Prozentpunkte. „ Die negativen Effekte von Trumps Zöllen sollten
nächstes Jahr weitgehend durch die fiskalpolitische Kehrwende
Deutschlands mit seinem 500-Milliarden-Euro-Paket für Verteidigung,
Infrastruktur und Klimaschutz kompensiert werden “, so Grieveson.
Damit dürften die EU-Mitglieder in Ostmittel- und Südosteuropa heuer
rund dreimal so stark wachsen wie die Eurozone (0,7%, eine Revision
nach unten um 0,5 Prozentpunkte) und 2026 immerhin doppelt so stark
wie diese (1,4%).
Die stark mit Deutschland verflochtene Industrie in Staaten wie
Tschechien, der Slowakei, Ungarn oder Rumänien kämpft jedoch mit der
industriellen Rezession in der Bundesrepublik, die sich durch Trumps
Zölle wohl weiter vertiefen wird. Wachstumstreiber ist und bleibt
aber auch in diesen Ländern der starke Privatkonsum aufgrund
kräftiger Reallohnsteigerungen in den vergangenen Jahren.
Spitzenreiter beim Wachstum unter den östlichen EU-Mitgliedern wird
neuerlich Polen sein, und zwar sowohl heuer als auch im nächsten Jahr
mit jeweils 3,5%, gefolgt von Kroatien mit jeweils 2,8% in den Jahren
2025 und 2026. Die sechs Staaten am Westbalkan werden 2025 um
durchschnittlich 3% und 2026 um 3,6% expandieren, die Türkei 2025 um
3,5% und 2026 um 4%.
Die Aussichten für die kriegsgeplagte Ukraine erscheinen
zunehmend ungewiss. Für 2025 prognostiziert das wiiw dem Land ein
Wachstum von 3%, 2026 dürfte es auf 4% anziehen, allerdings nur unter
der Voraussetzung ausreichender Militär- und Finanzhilfe von außen,
die von US-Präsident Trump massiv in Frage gestellt wird. Bei
Aggressor Russland haben sich die Wachstumsaussichten durch die
Annäherung an die USA signifikant aufgehellt. Heuer dürfte die
russische Wirtschaft zwar nur um 2% zulegen, 2026 aber bereits wieder
um 2,5%.
Zwtl.: Handelskrieg und Unsicherheit als Abwärtsrisiken
Risiken für die Prognose bestehen in der von Trumps sprunghafter
Handelspolitik geschürten Unsicherheit unter Konsumenten und
Unternehmen und einer neuerlichen Zuspitzung des Handelskonflikts mit
China. Dieser könnte die USA auch in eine Rezession stürzen, mit
negativen Folgen für die globale Konjunktur. „ Wir sind nun Zeugen
eines umfassenden Handelskrieges zwischen den USA und China, der sich
negativ auf die gesamte Weltwirtschaft auswirken wird. Die heftigen
Kursbewegungen an den Finanzmärkten könnten sich zu einer Finanzkrise
auswachsen, die dann unter Umständen auch auf die Realwirtschaft
übergreift “, meint Richard Grieveson. „ Zudem ist noch nicht
wirklich absehbar, wie sich die allgemeine Unsicherheit auf den
Konsum oder die Investitionen auswirken wird, auch wenn sich die
Region immer wieder als sehr resilient gegenüber externen Schocks
erwiesen hat “, so Grieveson.
Auch die US-Politik gegenüber der Ukraine sorgt für
Verunsicherung und könnte negative wirtschaftliche Konsequenzen nach
sich ziehen, sollten die wenig durchdachten Friedensbemühungen der US
-Administration scheitern. „ Momentan sieht es nicht so aus, als ob
Trump den russischen Präsidenten Putin von einem Ende des
Angriffskrieges gegen die Ukraine überzeugen könnte. Wendet sich
Trump dann frustriert ab und überlässt die Ukraine ihrem Schicksal,
könnte das Ostmitteleuropa neuerlich wirtschaftlich erschüttern “,
warnt Grieveson.
Zwtl.: Ukrainische Wirtschaft in Trumps trübem Fahrwasser
Obgleich das wiiw mittelfristig von einem Waffenstillstand in der
Ukraine ausgeht und sich ihre Volkswirtschaft als überaus
widerstandsfähig erwiesen hat, ist ihre wirtschaftliche Zukunft
ungewiss. Für 2025 prognostiziert das wiiw dem Land unverändert ein
Wachstum von 3%, das 2026 auf 4% steigen sollte. Viel wird aber von
der Entwicklung der militärischen Lage abhängen. Im Verlauf des
vergangenen Jahres hat sich die Konjunktur markant abgekühlt. Wuchs
die Ukraine im ersten Quartal 2024 noch mit annualisierten 6,5%, so
waren es im vierten Quartal nur mehr 2% Wachstum.
Das Land kämpft weiterhin mit der systematischen Zerstörung
seiner Infrastruktur durch russische Luftangriffe und einem akuten
Arbeitskräftemangel aufgrund der Mobilmachung für den Krieg und der
Flucht von sieben Millionen Menschen. Preissteigerungen bei
Lebensmitteln und öffentlichen Dienstleistungen sowie das
Lohnwachstum durch den Arbeitskräftemangel haben die Inflation nach
oben schnellen lassen und die Notenbank dazu gezwungen, die Zinsen
auf mittlerweile 15,5% anzuheben.
„ Trumps Versuche, die Ukraine zu einer De-facto-Kapitulation zu
zwingen und das Land in eine wirtschaftliche Kolonie der USA zu
verwandeln, sind die größte Gefahr für die wirtschaftliche
Entwicklung der Ukraine “, konstatiert Olga Pindyuk, Ukraine-Expertin
des wiiw. „ Entscheidend wird daher sein, ob es der EU gelingt, ihre
Militär- und Finanzhilfe für die Ukraine zu verstärken und die USA
als wichtigsten Unterstützer des Landes zu ersetzen. “
Zwtl.: Positiver Ausblick für Russland dank Trump
Obwohl sich das Wachstum der russischen Wirtschaft nach einer
Überhitzung in den vergangenen beiden Jahren 2025 halbieren dürfte,
sind die BIP-Prognosen zuletzt nach oben revidiert worden. Angesichts
der bisher erstaunlichen Resilienz der Wirtschaft gegenüber den sehr
hohen Zinsen hebt das wiiw seine BIP-Prognose für Russland für 2025
um 0,2 Prozentpunkte auf 2% an. Für die kommenden Jahre sorgt die
Aussicht auf eine teilweise oder vollständige Aufhebung der US-
Sanktionen im Zuge der Annäherung an die USA für eine deutliche
Aufhellung der konjunkturellen Perspektiven. Für 2026 geht das wiiw
von einer Expansion um 2,5% aus, eine Revision nach oben um 0,9
Prozentpunkte gegenüber dem Winter.
Im Windschatten von Trumps Kurswechsel in der Ukraine wurde von
Beginn an auch eine zukünftige wirtschaftliche Kooperation zwischen
den USA und Russland erörtert, etwa bei Ölförderprojekten in der
Arktis. „ Sollte es tatsächlich zu einem Waffenstillstand oder
Friedensabkommen in der Ukraine kommen, wäre die wirtschaftliche
Isolierung Russlands durch die USA wohl zu Ende. Möglicherweise auch
ohne ein Abkommen. Damit würde wieder US-Kapital und amerikanische
Technologie ins Land fließen. Diesem Beispiel könnten auch die US-
Verbündeten Japan, Südkorea und Taiwan folgen “, sagt Vasily Astrov,
Russland-Experte des wiiw. „ Die bestehenden US-Sanktionen werden
bereits heute nur mehr halbherzig umgesetzt. “
Die Annäherung an die USA beflügelte auch die russischen
Finanzmärkte und den Rubel. Ausländische Firmen wie Renault, Hyundai
oder Samsung erwägen mittlerweile eine Rückkehr nach Russland. Der
südkoreanische Elektronikkonzern LG hat kürzlich sogar die Produktion
in seinem Moskauer Werk wieder hochgefahren. „ Die teilweise
Wiederaufnahme der Wirtschaftsbeziehungen mit dem Westen würde bei
einem Kriegsende den Wegfall der hohen Gehälter für Soldaten und
Entschädigungen für deren Familien, die bisher das russische Wachstum
mitgetragen haben, wohl wettmachen “, analysiert Astrov.
Daran ändert auch der zuletzt stark gefallene Preis für Erdöl –
immer noch das wichtigste Exportgut Russlands – relativ wenig. „
Natürlich sinken dadurch wie auch durch den momentan starken Rubel
die Staatseinnahmen erheblich. Aber das Budget ist nicht mehr so
abhängig von den Öleinnahmen wie in der Vergangenheit, und das
eventuell höhere Budgetdefizit könnte problemlos finanziert werden “,
erklärt Astrov.
Zwtl.: Robuste Konjunktur in CEE stützt Österreichs Wirtschaft
Österreich kann wieder einmal hoffnungsvoll auf die
Wirtschaftsentwicklung in Osteuropa blicken. Ohne das robuste
Wachstum in Polen, Tschechien, Ungarn und Slowenien würde die
heimische Konjunkturdelle wohl noch tiefer ausfallen. Mit einem
Zuwachs von durchschnittlich 2,8% sollten die Visegrád-Staaten und
Slowenien 2025 viermal so stark wachsen wie die Eurozone (0,7%) und
auch 2026 mit 3% doppelt so stark expandieren wie diese (1,4%). Das
dürfte das schwache Wachstum in Österreich aufgrund der engen
Verflechtung mit diesen Ländern stützen. Die in Ostmitteleuropa
ebenfalls schwächelnde Industrie fällt als Konjunkturmotor allerdings
aus. Unterstützung für Österreichs leicht schrumpfende Wirtschaft
könnte bei einem Friedensschluss auch vom Wiederaufbau in der Ukraine
kommen. Die Aussichten dafür sind allerdings äußerst ungewiss.
„ Auch wenn es 2025 nun etwas schwächer sein dürfte als noch im
Winter prognostiziert, wird das Wachstum in den ostmitteleuropäischen
Nachbarn Österreichs nach wie vor vom starken Privatkonsum getrieben.
Dieser erklärt sich aus den kräftigen Reallohnzuwächsen der letzten
Jahre, während die Industrie wie bei uns angesichts von Trumps Zöllen
jetzt noch stärker zu kämpfen hat. In Österreich, wo die real
verfügbaren Einkommen ebenfalls gewachsen sind, wenn auch geringer,
konsumieren die Menschen dagegen nur verhalten und sparen einen
großen Teil des Geldes, das ihnen übrigbleibt. Das erklärt zu einem
guten Teil, warum unsere östlichen Nachbarn viel stärker wachsen als
Österreich “, analysiert Doris Hanzl-Weiß, Expertin für Österreichs
Wirtschaftsbeziehungen mit Mittel-, Ost- und Südosteuropa am wiiw.
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