Zwtl.: Finanzierung des öffentlichen Haushalts
gefährdet:
Demografisch bedingte Kostensteigerungen und schwaches BIP-Wachstum
führen zu einer großen Finanzierungslücke
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Langfristige Finanzierungslücke beträgt 7,0% des BIP:
Finanzierungslücke laut Fiskalrat damit deutlich größer als in
Langfristprognosen von Finanzministerium und Europäischer Kommission
[1]
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Aktuelles Konsolidierungspaket von 1,7% des BIP muss deutlich
ergänzt werden; zuwarten erhöht nötige Konsolidierung weiter
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Zusätzliche umfassende Konsolidierung trotz bestehender
Unsicherheiten von Langfristprojektionen unvermeidbar
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Demografische Faktoren belasten das Budget 2070 mit 6,2% des BIP
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Pensionsausgaben steigen 2024 in Prozent des BIP sprunghaft an
und erhöhen sich langfristig weiter
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Starker laufender Anstieg der Gesundheits- und Pflegeausgaben bis
2070
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Klimawandel und Klimaziele belasten Budget 2070 mit 1,3% des BIP
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Einnahmenwachstum immer weniger in der Lage, Ausgabenwachstum zu
kompensieren
Der FISK-Nachhaltigkeitsbericht zeigt die langfristige
Entwicklung der öffentlichen Finanzen Österreichs bis 2070. Der
demografisch bedingt starke Anstieg der Ausgaben v. a. für Pensionen,
Gesundheit und Pflege steht einem relativ schwachen Anstieg der
Staatseinnahmen aufgrund der geringen mittel- bis langfristigen BIP-
Wachstumsaussichten gegenüber. Daraus errechnet sich eine große
langfristige Finanzierungslücke, die durch Budgetbelastungen aufgrund
des Klimawandels und zur Erfüllung der Klimaziele auf 7,0% des BIP
ansteigt. Das gegenwärtig verhandelte Konsolidierungspaket reicht
auch nicht kurzfristig aus, um die im Bericht unterstellte notwendige
jährliche Rückführung der Schuldenquote um 0,5% des BIP (
Minimalanforderung der EU-weiten „Debt Safeguard“) zu erreichen. Um
die mittel- bis langfristig laufend anwachsende Finanzierungslücke zu
schließen, sind große zusätzliche Konsolidierungsschritte
unumgänglich und zeitnah umzusetzen. Werden die bestehenden
Finanzierungslücken nicht zeitgerecht geschlossen, erhöhen sich die
Staatsverschuldung und damit die Zinszahlungen. Der langfristige
Konsolidierungsbedarf steigt über die errechneten 7,0% des BIP an und
kann über Zinseszinseffekte und steigende Risikoaufschläge eine
explodierende Dynamik einnehmen.
Finanzierungslücke steigt von aktuell 2,5% bis 2070 auf 7,0% des
BIP an, verzögerte Konsolidierung lässt Werte weiter ansteigen
Der FISK-Nachhaltigkeitsbericht errechnet als zentrale
Nachhaltigkeitsgröße die „Finanzierungslücke bzw. fiskalische Lücke“.
Dabei handelt es sich um den Abstand zwischen dem gegenwärtig
projizierten Primärsaldo und dem notwendigen Primärsaldo, um die
Schuldenquote pro Jahr um 0,5% des BIP rückzuführen (
Minimalanforderung der „Schutzvorkehrung zur Schuldenrückführung/Debt
Safeguard“ im neuen EU-Fiskalregelwerk [2] ). Ausgehend von 2,5% des
BIP im Jahr 2025 steigt die Finanzierungslücke langfristig auf 7,0%
des BIP an. Die verspätete Konsolidierung erhöht die langfristige
Konsolidierungslücke: Die im Regierungs-programm 2025 avisierte
Konsolidierung reicht nicht aus, um die aktuelle Lücke von 2,5% zu
schließen. Damit erhöht sich die notwendige langfristige
Konsolidierungsanstrengung, da die Schuldenquote auch 2025 steigt.
Zusätzliche Konsolidierung trotz bestehender Unsicherheiten
unvermeidbar
Der Fiskalrat berechnete 21 Alternativszenarien, um den
Unsicherheiten einer Langfristprojektion zu begegnen. Alle Szenarien
und damit eine große Bandbreite an möglichen zukünftigen
Entwicklungen (u. a. höheres Wirtschaftswachstum oder Anstieg des
Bevölkerungswachstums) weisen für Österreich eine deutliche
langfristige Finanzierungslücke aus. Betrachtete Einzelmaßnahmen, wie
die Erhöhung des Regelpensionsalters um ein Jahr oder eine Bremse für
Gesundheitsausgaben, können die Finanzierungslücke zwar verringern,
reichen jedoch bei Weitem nicht aus, um sie zu schließen. Zur
Sicherung der langfristigen Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen
in Österreich sind daher umfassende Konsolidierungsanstrengungen, die
weit über das aktuelle Konsolidierungspaket hinausgehen,
unausweichlich.
Errechnete Finanzierungslücke übersteigt Werte des BMF und der EK
deutlich
Der Fiskalrat errechnet eine Verschlechterung des Primärsaldos
von 2023 bis 2060 im Umfang von 5,1% des BIP, während das
Finanzministerium und die Europäische Kommission mit einer
Verbesserung von 0,4% bzw. einer Verschlechterung von 1,6% des BIP
von einer deutlich besseren Entwicklung der Budgetlage ausgehen. Im
Fall der BMF-Langfristprognose ist der Unterschied primär auf den
deutlich früheren Erstellungszeitpunkt im Jahr 2022 vor den
Haupteffekten der Hochinflationsphase zurückzuführen. Bei der
Projektion des Ageing Reports 2024 der EK dürften die gewählten
günstigen Annahmen zur langfristigen Wirtschaftsentwicklung den
erwarteten geringen Anstieg der demografieabhängigen Ausgaben
erklären. Damit stellt die EK-Projektion im Vergleich zu den anderen
verfügbaren Projektionen für Österreich einen Ausreißer dar.
Anstieg der Gesundheits-, Pensions- und Pflegeausgaben führen zu
großer Finanzierungslücke
Die demografiebedingten Ausgaben steigen gegenüber 2023
langfristig um 6,2% des BIP an und sind damit hauptverantwortlich für
die Verschlechterung der langfristigen Budgetlage. Dabei fällt der
Anstieg der Gesundheitsausgaben um 2,3%, gefolgt vom Anstieg der
Pensionsausgaben und Pflegeausgaben um 1,9% bzw. 1,8% des BIP,
besonders groß aus. Im Fall der Pensionsausgaben erfolgt der Großteil
des Anstiegs der Ausgaben aufgrund der verspäteten Wirkung der
Hochinflationsphase auf die Pensionen bereits in den Jahren 2024 und
2025 (durchschnittliche Pensionserhöhungen um 9,7% bzw. 4,6% sind
hauptsächlich für den Anstieg der Pensionsausgaben um 1,3% des BIP
bis 2025 verantwortlich). Der Anstieg der Gesundheits- und
Pflegeausgaben erfolgt hingegen stärker über den Projektionshorizont
verteilt, wobei der stärkste Anstieg in den Jahren 2030 bis 2050 zu
erwarten ist und 2060 bis 2070 wieder etwas zurückgeht.
Klimawandel bzw. Einhaltung der Klimaziele erhöhen
Finanzierungslücke 2070 um 1,3% des BIP
Der voranschreitende Klimawandel und die verpflichtenden EU-
Klimaziele beeinflussen die öffentlichen Finanzen in Österreich
vielfältig. Der FISK-Nachhaltigkeitsbericht 2025 greift diese
Einflussfaktoren erstmals auf und berechnet deren Budgeteffekte im
Rahmen eines neu konzipierten Klimamoduls des FISK-OLG-Modells. Die
Projektionen machen deutlich, dass die mit Abstand größte
langfristige Budgetbelastung aufgrund des Wegfalls der
energiebezogenen Steuern durch die Veränderung des Energiemixes hin
zu einer verstärkten Nutzung von erneuerbarer Energie entsteht.
Zusätzlich führen notwendige Zertifikatszukäufe aufgrund der
Verfehlung der EU-Klimaziele zu einem Anstieg der langfristigen
Staatsausgaben. Die Auswirkungen des Klimawandels auf die erwarteten
öffentlichen Schadenskosten durch häufiger auftretende
Naturkatastrophen sind hingegen relativ moderat.
Einnahmen können aufgrund des schwachen Wirtschaftswachstums
starken Ausgabenanstieg nicht kompensieren
Der BIP-Rückgang infolge der Hochinflationsphase und der
Energiekrise scheint laut aktueller Wirtschaftsprognosen permanent zu
sein. Im Gegensatz zum BIP-Einbruch im Zuge der COVID-19-Pandemie
wird hier keine Rückkehr auf den ursprünglichen BIP-Pfad erwartet.
Ausgehend von diesem permanenten Verlust an Wirtschaftsleistung
führen ein demografisch bedingtes geringes Beschäftigungswachstum und
ein moderater erwarteter technologischer Fortschritt zu einem im
historischen Vergleich schwachen mittel- bis langfristigen
Wirtschaftswachstum. Der dadurch gedämpfte Anstieg der
Staatseinnahmen ist damit immer weniger in der Lage, den starken
Anstieg der Staatsausgaben zu kompensieren.
Finanzierungslücke kann nur mit einer Kombination aus vielen
Maßnahmen geschlossen werden
Die Umsetzung der gegenwärtig geplanten Konsolidierung ist ein
wichtiger, aber nur erster Schritt zur Sicherung der Nachhaltigkeit
der öffentlichen Finanzen in Österreich. Das starke Ausgabenwachstum
im Gesundheits-, Pflege- und Pensionsbereich muss durch
Strukturreformen adressiert werden. Gleichzeitig gilt es, das
Einnahmenwachstum durch wachstumsfördernde Industrie- und
Wirtschaftspolitik zu erhöhen. Die reale Wertsicherung von
Staatsausgaben und Staatseinnahmen sollte gemeinsam gedacht werden
und die vorherrschende Budgetsituation berücksichtigen.
Presseunterlagen, Berichte und Empfehlungen unter Fiskalrat -
Presseinformationen .
[1] Beruht auf der WIFO-Mittelfristprognose Jänner 2025. Das
langfristige durchschnittliche reale BIP-Wachstum beträgt 1,2%.
[2] Diese Regel ist für Länder während eines ÜD-Verfahrens
ausgesetzt.
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